Freitag, 28. April 2017

Auf die Probe gestellt. Oper als fotografische Herausforderung


Ich begleite die Proben zu La Traviata, der Oper im Audimax mit meiner Kamera. Ich bin oft dabei und halte viele Szenen fest.

Ich dachte nicht, dass es ein so großes Glück sein könne, von Anfang an die Aufführung zu begleiten. Ich dachte nicht, dass ich darin so aufgehen würde. Ich dachte nicht, dass es mich derart fesseln würde.


Ich hatte nämlich überhaupt nicht damit gerechnet, dass diese intensive Zeit, die vielen unterschiedlichen Proben und Ausschnitte mit und ohne Kostüm mir eine so reichhaltige Möglichkeit bieten würden, mein fotografisches Talent weiter zu entwickeln. Die Betrachter meiner Fotos sehen ja nur die Ergebnisse. Den Hintergrund, wie ein Fotograf denkt und beurteilt, kennen sie ja nicht.

Dieser Text soll ein wenig beschreiben, wie es einem Fotografen so ergeht, wenn er mitten in eine ihm fremde Welt geworfen wird.

Nun ganz fremd ist mir die Musik nicht. Als Student der Kunstgeschichte und Germanistik hatte ich in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts schon viel klassische Musik gehört, war auf vielen Konzerten, hatte sogar angefangen Geige zu spielen, es dann aber aufgrund fehlenden Talents leider wieder aufgegeben. Zumindest hörte ich Verdi-, Mozart- und sogar Wagneropern mit Enthusiasmus. Mit Beruf, Kindern und vielen anderen Dingen vernachlässigte ich diese Leidenschaft. Auch lag meine künsterlerische Kreativität brach, die ich erst vor etwa drei Jahren mit der Fotografie wiederentdeckte.



Umso begeisterter war ich, als Lara Venghaus mich fragte, ob ich das Opernprojekt des Universitätsorchesters fotografisch begleiten und von Anfang an dokumentieren wolle. Zwar war mir das Ganze aufgrund der vielen Probentermine nicht ganz geheuer - würde ich denn nicht immer die gleiche Art von Fotos schießen, dachte ich mir - aber es kam ganz anders. Ich verließ mich ganz auf meine Intuition und einen entscheidenden Faktor, meine Freiheit.

Lara Venghaus ließ mir vollkommene Freiheit, was meine Ergebnisse betraf. So stand ich unter keinem kommerziellen Druck, musste nichts marketingtaugliches abliefern, hatte keine Erwartungen zu erfüllen. Ich konnte mich selber “auf die Probe” stellen, konnte mir die Freiheit des Herzens, meines fotografischen Herzens nehmen und wie ein Wahrnehmungsjäger im Revier der musikalischen Kunst wildern.

Das Gefühl war tatsächlich das eines behutsamen Beobachters, der sein “Wild” nicht aufscheuchen wollte, der vorsichtig durch die Reihen der Probenden schlich, die mich wohlwollend zur Kenntnis nahmen. Ich dagegen war ganz Auge, war auf der Suche nach besonderen Momenten, Motiven und Gruppen- sowie Einzelporträts. Muss man sich als Fotograf sonst um MakeUp, Beleuchtung und die Kommunikation mit den Models kümmern, ließ ich mich jetzt fast schon fallen. Damit öffneten sich mir die Poren der Kreativität. Ich verließ mich ganz auf meine Art der Wahrnehmung. Ich würde es den “fotografischen Blick” nennen, eine Freundin nennt es den “liebevollen Blick”.

Eine mich begleitende liebe Freundin fragte wiederrum, hast Du diesen tollen Gesang gehört? Ich hatte nichts mitbekommen. Ich war ganz AUGE. Ich war nur LINSE. Ich war konzentriert im richtigen Moment abzudrücken. Die Sänger, die Orchestermitglieder, der Spielleiter und die Tänzerinnen sowie der Dirigent probten nur für mich. Es war herrlich, ich konnte ganz Fotograf sein, ohne Rücksicht auf Verluste. In dieser Situation ließ ich vieles hinter mir, was mich in den letzten Jahren bedrückt hatte. Hier war ich ich, hier konnte ich sein.

Und dann hörte ich die Töne, sah die Kleider, sah lächelnde Gesichter von denen, die meine Ergebnisse gesehen hatten. Ich fühlte mich als Teil des Ganzen. Stand mitten in Verdis Welt. Oder auch in Laras und Johanns Welt. Und in der Welt der ganzen anderen.

Zuhause hatte ich die nächste Gelegenheit meiner Freiheit genüge zu tun. Das Abdrücken war das Eine. Dann aber erst entwickelte ich das Ganze, beschnitt, korrigierte, setzte Lichter und verwandelte in Schwarz-Weiß. Ich kam dem Ensemble so nah, wie als wären sie meine Seelenverwandten. Zumindest lernte ich sie auf diese Art intensiv kennen und stellte visuelle Nähe her.


Diese Nähe führte zu neuen Ideen für die nächsten Shootings und die weiteren Schritte. Bei jeder Probe entstand eine neue Galerie von Möglichkeiten in mir. Ich wurde immer freier und schickte Lara und Johann im Kostüm und Frack ohne Scheu durch die Unihalle und auf die Stadtbahnbrücke. Sie vertrauten mir, ich vertraute meiner Intuition. Denn das ist es, was ich in mir spüre, eine Intuition für das Richtige. Und diese Intuition ist nicht einfach so da, sie wächst und wächst mit diesem großartigen Projekt. Nur so entwickelt sich meine Bildsprache weiter und prägt sowas wie Stil.

Ich freute mich schon sehr auf die Aufführungen, wo ich mich dann auch mal zurücklehnen und die Musik genießen konnte. Vor dem Audimax waren viele Fotografien zu sehen, eine Ausstellung im Foyer. Ich bin gespannt, was noch kommt. Bis dahin schaue ich einfach weiter hin. Ganz genau. Fotografisch liebevoll eben.


Markus Paulußen Fotografie, 
März 2017



www.markus-paulussen.de

Sonntag, 13. März 2016

Auf dem Weg in die Kreativwoche

Vor mehr als zwei Jahren habe ich hier meine 7-Tage-Woche beschrieben. Damals bin ich der Frage nachgegangen, was mich denn außer Job und Familie so antreibt. 7 Tage habe ich gebloggt, Kunst angeschaut, Kurzgeschichten geschrieben, ein Fotoshooting mit einem Model durchgeführt und ein wenig in mich hineingehört.

Das Ergebnis, ich entdeckte die Fotografie für mich. Machte mehr und mehr Shootings und muss sagen, jedes Fotoshooting ist für mich bis heute ein Erlebnis, unbezahlbar, einfach nur eine tolle Möglichkeit, die eigene Kreativität und Fähigkeit weiter zu entwickeln.

Nach nunmehr 2 Jahren bin ich mir absolut sicher, dass dieses "Freizeitverhalten" mich verändert hat. Ich merke, wie sehr ich die kreativen Möglichkeiten, die in mir stecken, schätze, wie sie mir Zufriedenheit geben. Ich würde es um keinen Preis wieder aufgeben. Zudem habe ich viele neue Menschen kennen gelernt. Sie begleiten das, was ich tue zum Teil im Stillen, zum Teil auch öffentlich mit Kommentaren und Anmerkungen oder über Likes bei Facebook.

Doch noch eins: neben den Fotos und ihren Beschreibungen wurde auch meine literarische Ader geweckt. Ich merkte, wie schon in meinem Studium der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft, dass ich Bild und Text gleichermaßen schätze und liebe. Wo ich zu viel Fotografisches mache, stößt das Literarische in die Lücke, lese oder schreibe ich übermäßig, muss ich zurück zum Bildhaften.

Und so lebt in mir der kleine Troll der Unentschiedenheit. Ich schwanke zwischen Fotoauslöser und Tastatur, zwischen Bildgedanke und Textsymphonie. Eine Festlegung auf eine Seite würde unweigerlich meine Kreativität wieder verkümmern lassen. Aber ich merke auch, ich muss mich nicht festlegen.

Und so habe ich mich frei heraus entschieden, keine Sabbat- oder Wanderwoche einzulegen, sondern eine KREATIVWOCHE, die am Montag, den 14. März beginnen soll. Ich werde dann ein neues, längerfristiges Fotoprojekt in Köln starten, dass ich in dem Ausmaß noch nicht durchgezogen habe. Danach werde ich ein Auftrags-Shooting durchführen, um in den nächsten Tagen mich meinem anderen Kind zu widmen, dem vor einigen Wochen von mir begonnenem Roman.

Ja, ein Roman. Das soll er mal werden. Und was soll ich sagen, er gedeiht und blüht. Aber er braucht auch Zeit. Ich will ausprobieren, wie es sich anfühlt, mal einige Tage lang nur an dem Roman zu schreiben, mich nur der literarischen Erfindung hinzugeben. Ach ja, der Arbeitstitel lautet, wie kann es bei mir anders sein, "Der Galerist".

Ildikó von Kürthy spricht mir in ihrem lesenswerten Buch "Neuland", in dem sie ihr Jahr der Veränderungen und Experimente beschreibt, aus der Seele:

"Das, was uns wichtig ist, ist selten dringend und taucht deswegen nicht auf unserer Prioritätenliste auf. Wir müssen uns für das Wichtige bewusst Zeit schaffen, weil es sich anders als das Dringende nicht aufdrängt."

Also hoffe ich, dass ich in den nächsten Tagen das Wichtige schaffe.

Montag, 4. Januar 2016

Regale voller Schallplatten - Im Orbit von Spotify, Netflix und AmazonPrime

Meine Eltern sammelten früher alte Möbel. Möbel aus vergangenen Jahrhunderten. Ich sammle heute mediale Veränderungen. Was das heißt? Na, ich lass mich auf mediale Antiquitäten ein. Gestern saß ich zum Beispiel in einem Restaurant. An den Wänden bis unter die Decke Regale mit Schallplatten. Ein irres Konvolut aus einzelnen Langspielplatten und ganzen LP-Boxen. Hauptsächlich Klassik und ein wenig Jazz. Aber tausende von Platten. Leicht hätte ich behauptet, alle jemals erschienen Klassik-Alben hätte dort jemand akribisch zu einer unglaublich beeindruckenden Sammlung zusammengetragen, zu einer medialen Antiquität (aus heutiger Sicht).

Das Besondere daran, es sind keine Medien aus längst vergangenen Jahrhunderten, sondern gerade mal 30 Jahre alte Tonträger, die für mich als Kind und Jugendlicher - neben den Tonbändern und Kassetten - ein großes Glück bedeuteten. LP's waren sowas wie die Ikonen meiner Jugend. Im Studium entdeckte ich dann mit den CDs auch die klassische Musik für mich. Ich kann mich noch gut an die stillen Abende mit Alfred Brendel erinnern, das Ohr ganz nah an der klaren, kalten Perfektion des auf CD aufgezeichneten Klavierspiels, das mir ein neues Gefühl für die Musik gab. Später habe ich sogar ganze Wagner-Opern gehört und mich in die Konzertsäle der Welt gedacht und gehört. Kurt Masur dirigierte damals in meiner Studentenbude.

Die CDs sind noch da, sogar abspielbereit. LPs lagern auch auf dem Dachboden, ein Plattenspieler fehlt dagegen. Daneben liegen selbst aufgenommene Audio-Kassetten, neben ein paar alten Video-Kassetten, für die auch der Video-Recorder längst als Elektroschrott entsorgt wurde.

Die Welt hat sich weitergedreht. So wie der Plattenspieler. In einem fort. In unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Und die Welt lässt die alten Medien eben auch alt aussehen. Sie sind Relikte einer vergangenen Zeit, so eine Art Ursuppe unserer Medien, die damals auch noch nicht "Medien" hießen. Heute wirkt ein solches Regal mit alten LPs wie Großvaters Erinnerungen aus dem Krieg. Zeugnisse einer längst vergangenen Epoche. Für die meisten eben nur noch eine Antiquität. Das Heute heißt Digitalisierung.

Die Digitalisierung hat uns verändert. Hat die Medien verändert. Hat unsere Wahrnehmung von Musik, Filmen und unseren Umgang damit gewandelt. Wir finden uns heute in einer Welt der Smartphones, des Wlan und der sozialen Medien wieder. Am Ende dieses Prozesses steht eine Dematerialisierung, so als hätten wir all' die Langspielplatten und Videokassetten mithilfe Scottys Beamer im Raumschiff Enterprise in die unendliche Weiten geschickt. Spotify verwandelt die Regale voller Musik in eine Idee. Die Idee, Zugriff auf sämtliche, jemals erschienenen Alben (zumindest dieser Begriff aus der Urzeit hat sich noch erhalten, und erzeugt im Bewusstsein ein Bild eines Plattencovers) zu haben. Die Haptik der Schallplatte ist verloren gegangen, aber die bloße Musik schwirrt im Weltraum des Digitalen umher, zugänglich für alle, ohne Exklusivität des Besitzes.

Doch gleichzeitig verlieren wir das Gespür für den Ort, den Träger und die Menge. Wo alles überall verfügbar ist, wissen wir gar nicht mehr um das, was wir zuerst hören, sehen, aufnehmen sollen. Die Auswahl an Serien, Filmen und weiteren Angeboten bei Netflix und AmazonPrime kann auch überfordern und lässt viele immer noch im klassischen Fernsehformat schauen. Zwanzig Uhr Tagesschau, Zwanzigfünfzehn Tatort (obwohl beides auch zeitversetzt und abrufbar zur Verfügung stände). Die alten Gewohnheiten haben ihren Grund, sie sind Träger der Orientierung und stecken tief im Menschen. Der Mensch mag zwar immer wieder neue Angebote und eine große Auswahl, doch dort, wo er in der Anzahl den Überblick verliert, rudert er zurück oder lernt neu.

Dort sind wir gerade. Wir lernen neu. Technik hilft uns. Gute Oberflächen, wie die von Netflix, Spotify oder dem Amazon FireStick erleichtern den Zugang. Die Qualität ist berauschend, der Weg vom Plattenteller zur Smartphone-Oberfläche ist gelungen. Für uns Fünfzigjährige ist es der Quantensprung, die Jugend kennt nur noch diese Oberfläche. Einzig bei den Büchern kommt es zu einer Gegenbewegung. Zwar nehmen ebooks einen immer breiteren Raum ein, aber das Zurück zum gedruckten Buch ist auch überall zu spüren. Die Menschen sehnen sich dann doch nach Materialisierung und haptischer Sinnlichkeit. Ein gut gefülltes Bücherregal wird auch in 50 Jahren noch ein Ausdruck von Belesenheit und Kultur sein. Ein Lächeln, wie bei den Regalen voller Schallplatten, wird das nicht auslösen, denn es kann mehr sein, als nur Speicher und Inhaltscontainer.

Wir befinden uns derweil in einer Zwischenwelt. Einem sowohl als auch. Noch sind Antiquitäten in Nutzung, aber schon bald werden kaum noch CDs oder DVDs gekauft. Da, wo alles immateriell und auch viel günstiger zur Verfügung steht, wird die Masse der Konsumenten sich vom Ton- und Bildträger im klassischen Sinne verabschieden und ihre Verhaltensweisen verändern. Bis dahin werden wir in einer Welt der Gegensätze und Gleichzeitigkeiten leben. Bis zu dem Zeitpunkt, wo die für uns heute unvorstellbare nächste mediale Revolution Spotify, Netflix und Co. ins Nirvana einer längst vergangenen Zeitrechnung spülen wird. Die kann man sich dann allerdings nicht ins Regal stellen, hier bleibt dann nur ein Funken der Erinnerung, der mit den Jahren schnell verblasst. Eine unsichtbare Antiquität sozusagen. Beam me up, Scotty!


Sonntag, 2. August 2015

Das Glück der Haptik

Die Medaille hat zwei Seiten. Dieser Spruch wird uns schon seit Kindesbeinen eingetrichtert. Und es ist ja was Wahres dran.

Warum ich drauf komme? Weil die Welt sich für mich gerade in zwei Hälften teilt. Die unmittelbare und die mittelbare. Wie? Was? Na, ich versuche mal ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern. Oder ein paar Beispiele zu notieren, warum ich einen solchen Text überhaupt schreibe.

Weil ich ein Bedürfnis habe. Ein Bedürfnis nach Sinnlichkeit, nach Direktheit. Ich spüre (hat das mit dem runden Geburtstag zu tun? - nöö, auch, vielleicht, ich weiß nicht), dass es mich zu dem Mehr an Haptik hinzieht, die mir die digitale, vermittelte und aufbereitete Welt nicht mehr liefert.

Also, um es kurz zu machen, ich fühle mich zum Beispiel unwohl mit meinem Kindle. Will wieder lieber ein richtiges Buch mit Staben, Papier, Umschlag und Gefühl in Händen halten. Will spüren und sehen können, wie viel ich bereits im Buch gelesen habe, will beim Papier dessen Zärtlichkeit mit dem Fingerkuppen erfahren können, mag das Erotische des Lesens doch zu sehr.

Der Kindle ist schön praktisch, ich habe 1000 Bücher immer dabei, aber erzeugt er auch die Lust am Lesen? Ich habe mir das immer eingebildet, habe auf so etwas wie einen Paradigmenwechsel gewartet, aber er hat sich nie richtig eingestellt. Habe gedacht, ich müsse mich nur daran gewöhnen, müsste dem Kindle eine Chance geben. Aber ich bin dann aber wohl doch zu sehr Buchliebhaber, Gestaltungsfetischist, Leselustwandler. Ich liebe richtige Bücher. Ich mag deren Geruch. Auch schaue ich mir manchmal nur Umschläge in meiner Lieblingsbuchhandlung an. Das erzeugt ein Gefühl, wie ein Museumsbesuch voller lauter kleiner, schöner Bilder. Wunderbar.

Und als ich mir heute im sommerlichen Garten im Liegestuhl darüber Gedanken machte, da fielen mir auf ein mal so viele Dinge ein, derer ich mich mittlerweile nur auf sekundäre Art nähere. Nehmen wir nur mal eine CD und ein Livekonzert, selbst gemachte Kirschmarmelade und gekaufte, ein Instrument selber lernen und nur konsumieren, Kartenspiele und Computeranimationen.. ach, die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.

Okay, ich bin auch begeistert von den digitalen Möglichkeiten, nutze Facebook und Co. für meine Fotografien und bin ja quasi das Aushängeschild einer digitalen Lebensphilosophie. Aber (das an sich böse Wort, was jede Aussage zum Einsturz bringt), ich habe dabei ein seltsames Gefühl. Ich habe das Gefühl, dass mir was da durch geht, dass ich mich im Rausch der Bits verliere und am Ende ein Stück weit oberflächlicher, berauschter und im Endeffekt unzufriedener lebe.

Warum habe ich wohl den Wind an der Nordsee dieses Jahr so genossen? Vielleicht weil Facebook nichts Echtes gibt, weil es Meer nur am Strand gibt, weil Freiheit auch die des Blickes in unendliche Weiten ist? Mich beschleicht dieses Gefühl, dass ich zu sehr schon in den Bits und Bytes lebe und das Gefühl auf der Strecke bleibt. Das Gefühl für Zeit, für Langeweile, für Kälte und Wärme, für Natur und Kultur, für Liebe und Nähe.

Nun bin ich wahrlich kein Kulturpessimist (so wie Wilhelm Meister bei Goethe von einem solchen gewarnt wird, dass das Fernrohr die Menschen von den wichtigen Dingen des Menschseins ablenken würde), ich möchte nur für mich selber dem nachspüren, was ich den Wohlstand des Unmittelbaren nennen möchte.

Denn wir leben unter einer goldenen Käseglocke, unter der wir uns viele Unmittelbarkeiten leisten können, die für andere Weltregionen nicht so selbstverständlich sind. Sauberes Wasser, genug Nahrung, angstfreies Leben, um nur einige Dinge zu nennen. Und wir haben Zugang zu vielen schönen Dingen. Können unsere Jahreszeiten genießen, ins Theater gehen, Freunde einladen zu selbstgebackenem Kuchen und vielem mehr.

Ich sollte einmal eine Liste des Wohlstands und der Unmittelbarkeit schreiben, die, zusammengefasst zu einem Buch mit Fotografien, ein Wegweiser für den modernen, digitalen Nomaden werden könnte. Diesem wird dann die Möglichkeit gegeben, zu erkennen, da stimmt etwas nicht, ich muss vielleicht einen Schritt zurück gehen und mir mal den Geruch eines frisch geöffneten Hardcover-Buches reinziehen. Denn ich habe gemerkt, wenn die Sinne sich in mir öffnen, dann finde ich das Glück in mir. Das Glück der Haptik.

Sonntag, 11. Januar 2015

Unverwechselbar fotografieren, oder wie finde ich meinen Stil?

Seitdem ich im vergangenen Jahr angefangen habe zu fotografieren, frage ich mich ein ums andere mal, ob das, was ich mache, nicht zu uneinheitlich ist und die Porträts und Landschaftsaufnahmen nicht zu unterschiedlich erscheinen.

Andere Fotografen verfolgen konsequent ihren Stil oder eine bestimmte Formensprache. Oft werden dafür nicht nur gleichartige Motive und Inhalte verwendet, sondern es werden Apps oder bestimmte Photoshop bzw. Lightroom-Presets benutzt, um eine gewisse Unverwechselbarkeit zu erzeugen. Betrachter können so meist sehr schnell die gewohnte Stilrichtung erkennen und dem Fotografen den einzigartigen Stil zuordnen. Die ganze Kunstgeschichte wäre ohne solche typischen Stilmerkmale einzelner Künstler und Kunstrichtungen nicht denkbar.

Wenn ich mir in den Facebook-Gruppen oder bei Flickr die große Vielfalt an Stilen der verschiedenen Fotografen anschaue, dann muss ich sagen, dass es für die Betrachter nichts Schöneres gibt, als die unterschiedlichsten Inhalte und formalen Umsetzungen zu erleben. Der einzelne Fotograf hat wiedererkennbare Merkmale aus Sujet, Formensprache und Stil und kann sich so in der Masse durch Originalität oder eine bestimmte Art der Perspektive oder Farb- bzw. Schwarz-Weiß-Umsetzungen absetzen.

Ob es sich dabei immer um eine bewusste Entscheidung des einzelnen Fotografen handelt oder ob es sich im Laufe der Jahre so ergeben hat, kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall frage ich mich, ob nicht bei solchen Fotografen, die immer nur "Lost Places" oder nur Schwarz-Weiß-Porträts fotografieren, auf die Dauer eine gewisse Ermüdung eintritt. Ermüdung beim Fotografen selber als auch bei den Betrachtern. Viele Porträts einer Kollegin finde ich von der Bearbeitung wundervoll, aber sie sind für mich kaum noch unterscheidbar, der Stil hat die Variation scheinbar geschluckt. Auch die ewig gleichen Landschaftsaufnahmen oder die Nicht-Ästhetik verlassener Abbruchhäuser würden mich als Fotografen ermüden. Aber so lange ein "Markt" bzw. Liebhaber dafür vorhanden sind, stellt sich die Frage nach der Berechtigung nicht.

Bin ich also genau in der richtigen Spur, wenn die Unterschiedlichkeit in meinen Sujets und Formen weiterentwickle, wenn ich bei einem zweistündigem Shooting vier verschiedene Looks und viele verschiedene formale Aufnahmemöglichkeiten durchspiele? Oder verhaspele ich mich als Fotograf dadurch nicht zu sehr in einer Beliebigkeit, der man nur durch oben beschriebene Stilreduktion beikommen kann?

Vielleicht sind das aber auch nur die Selbstzweifel eines Fotografen, der noch am Anfang einer Entwicklung steht. Vielleicht habe ich mittlerweile auch schon gewisse Charakteristika gefunden, die außenstehenden Betrachtern eher auffallen als mir selber. Vielleicht muss ich mir gar keine Stilvorgabe zulegen (so wie: "jetzt nur noch ältere Leute in Schwarz-Weiß fotografieren und das ganze im quadratischen Format"). Vielleicht lasse ich mich einfach weiter treiben und schaue, was das neue Jahr bringt. Vielleicht verlasse ich mich einfach auf meinen "liebevollen Blick", den ich in jedem Shooting einbringe.

Am Ende möchte ich mehr Menschen ansprechen, mehr Erfolg haben, ein großartiges Portfolio aufbauen, mich ständig verbessern. Was ich nicht möchte ist, dass mich meine Sujets irgendwann langweilen, nur weil ich denke, ich müsste einer Tendenz nachjagen oder irgendjemandem gefallen.

Ein erster Schritt ist die Neukonzeption meiner Homepage mit einem neuen Layout und einigen neu geordneten Seiten. Hier könnt ihr überprüfen, ob Euch mein "Stil" gefällt:

http://paulussen.jimdo.com

Markus Paulußen



Freitag, 6. Juni 2014

Fotobuch in Geschenkbox von Saal-Digital - ein Selbstversuch

Als Fotograf bin ich zugleich als Social Media Spezialist, Computer-Fachmann und Gestalter gefragt. In ganz unterschiedlichen Bereichen müssen und wollen wir aufstrebende Foto-Begeisterte uns heute profilieren. Dabei stehen uns nicht nur etliche Möglichkeiten der Bearbeitung und Veröffentlichung zur Verfügung, sondern auch ein riesiges Angebot an Druckerzeugnissen.

Warum aber überhaupt noch drucken?
Eine eigene Website, Facebook, Flickr und 500px bieten unendliche Möglichkeiten Fotos zu präsentieren. Dennoch sind Fotoprodukte der Renner. Scheinbar ist die Sehnsucht nach einem haptischen Produkt in einer virtuellen Welt noch sehr groß.

So habe auch ich mich entschieden, meine People-Fotos der letzten Zeit in ein Fotobuch zu bannen. Ich wollte etwas Präsentables für Familie aber auch Kunden haben. Meine Wahl fiel auf den eher unbekannten Hersteller Saal-Digital, weil dieser auch eine besondere Präsentationsbox mit anbietet.

Die Software war schnell heruntergeladen und im Mac installiert. Dämlich, dass ich jedes mal wieder eine neue Bedienungslogik erlernen muss. Vieles, was bei anderer Software möglich ist, sucht man dann in einer neuen Lösung vergebens. Und so brauchte ich erst einmal eine Zeit, um mich in der Automatik bzw. einer manuellen Eingabe zurechtzufinden. Da ich als Internetexperte gelte, ist es zweifelsohne irritierend, wenn selbst ich über Funktionen und Vorlagen ins Grübeln gerate.

In jedem Fall habe ich ein wunderbares Produkt bekommen. Mit einer schlicht schönen Vorlage konnte ich meine Porträts anordnen und bei einer Größe von 28 x 19 cm im aufgeklappten Zustand panoramartig anlegen. Auf edlem Fotopapier ohne Innenpfalz habe ich ein abwechslungsreiches Buch erstellt. Einziger Wehmutstropfen: bei den großformatigen Porträts waren selbst bei scharfen und hochaufgelösten Vorlagen die Augenpartien ein wenig schwammig. Ich kann nicht nachvollziehen, woran das lie
gt. Vielleicht sind aber die Auflösungen in dieser Qualität so gut, dass eine kleine Unschärfe nicht verziehen wird. Hier muss ich noch mehr auf die absolute Schärfe bei der Fotoaufnahme achten. Für alle andere Fotos gilt, nicht zu groß ziehen. Die kleineren Fotovergrößerungen wirken knackig und top.

Was mich aber wirklich überzeugt, ist die Präsentationsbox, die aus grauem Hardcover besteht und mit Magnetverschluss und Schaum-Inlay dem Fotobuch einen kolossalen Rahmen verleiht. Einzig hätte ich mir gewünscht, dass ich dort einen Druck, zum Beispiel des eigenen Logos, hätte anbringen lassen können. So ist die Box schlicht grau ohne Dekor. Die hier abgebildeten Fotos geben einen Eindruck.

Fazit: Wer ein sehr gutes und edles Produkt sucht, wird bei saal-digital.de fündig. Eine Lieferzeit von 1 Tag ist mir bei einem Fotobuch auch noch nicht untergekommen. Unglaublich, aber selbst erlebt. Wenn es also schnell gehen muss und Qualität gesucht wird (z.B. für Hochzeitsfotogtafie), Saal-Digital wählen.

http://www.saal-digital.de/fotobuch/



Freitag, 4. April 2014

Markus Paulußen Fotografie - Erste Schritte für ein erfolgreiches Model-Shooting

Nach mehreren Model-Fotoshootings hat sich meine Perspektive auf die Fotografie verändert. Hatte ich bisher lediglich Architektur, Blumen und Familie im Urlaub fotografiert, setze ich nun auf Gesichter. 

Für mich ist es eine ganz neue Herausforderung, die ich so bisher nicht kannte. Im wahrsten Sinne des Wortes handelt es sich um einen Perspektivwechsel, den ich mir erst nach meiner siebentägigen Auszeit zutraute. Vorher war Porträt-Fotografie für mich eine "Terra Incognita". Woher sollte ich auch so attraktive Models verpflichten, die die professionellen Fotografen immer ablichten? 

Dabei ist es gar nicht so schwer, Personen zu finden, die ihre Bereitschaft zu einem TFP-Shooting (Time for Pictures) signalisieren. Dabei muss kein Geld im Spiel sein: es kostet beide Parteien quasi "nur" Zeit, der Profit liegt in der gemeinsamen Nutzung der Fotos. Und in regionalen Facebook-Gruppen finden sich viele "Gesichter", die erste Schritte in Richtung Modeling unternehmen möchten. Manche wollen einfach nur außergewöhnliche Fotos von sich. Die kann ich, denk ich, liefern.



Wenn die Person dann noch von meinem Foto-Konzept überzeugt ist, dann kann es fast schon losgehen. Und damit wäre schon der nächste Punkt angesprochen, man braucht ein Konzept. Zumindest muss man für sich und das Model einen Rahmen festlegen, in dem das Shooting stattfinden soll. Geeignete Parameter sind dabei Ort, Zeit, Motive und kreative Ideen, die umgesetzt werden sollen. Ich schaue mir die Location vorher an und finde verschiedene Hintergründe oder Objekte (auch Skulpturen oder Bauten), die von Farbe, Struktur oder Gestalt zu einer interessanten Bildidee beitragen können. Vorbereitet zu sein, ist schon die halbe Miete.

Hat man das Model überzeugt und das Konzept sowie Treffpunkt und Zeit festgelegt, geht es darum, im Vorfeld die Wetterlage zu beobachten und die eigene Ausrüstung vorzubereiten. Am schwierigsten ist es, finde ich, dem Model zu sagen, was es anziehen soll. In Unkenntnis der Gardrobe des Models fällt es mir nicht leicht, genau zu sagen, was sie oder er zu tragen hat. Mehr als ungefähre Stilvorgaben traue ich mir noch nicht zu. Vielleicht bekomme ich mit der Zeit einfach mehr Erfahrung in Sachen Kleidung, so dass ich genauere Vorgaben machen kann. Im letzten Shooting hatte ich bunte Tücher mit, die gar nicht passten. Pech! 

Die Zwiebeltechnik scheint mir für das Outfit geeignet zu sein. Das Model trägt Jacke, Strickjacke und Top oder T-Shirt übereinander und bringt noch Tücher mit, so kann man drei bis vier Oberteile schon mal variieren. Besser ist noch ein komplettes zweites Outfit, aber das kann man von Models im Bereich TFP nicht verlangen, nur vorschlagen kann man es in der Vorbesprechung und überlegen, wo das Model sich umzieht. Bitte nicht verlangen, dass das Model sich auf einer öffentlichen Toilette umziehen soll. So etwas geht nur auf freiwilliger Basis, ist aber nicht zu empfehlen.

Und damit komme ich zum Thema Vorbesprechung. Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, mich mit den Models kurz auf einen Kaffee zu treffen und neben dem optischen Eindruck auch die Eckpunkte eines Shootings zu besprechen und schon mal den TFP-Vertrag mitzubringen. Dann kann man sich beschnuppern und die Sache mit dem "Hallo erstmal... Ich bin... Das habe ich vor..." fällt beim Shooting weg. 

Zu diesen Vorbesprechungen bringe ich auch mein iPad mit und zeige ein paar Fotos, an denen ich erläutern kann, worauf es mir ankommt. Ich spreche dann gerne von Authentizität, Natürlichkeit und davon, dass das Shooting uns beiden Spaß machen soll. Auch so Sachen wie ein dezentes Make-up und nicht zu krasses Augen-Styling sollten abgesprochen werden. Und wichtig ist, je krasser die Motivwahl, desto größer muss das Vertrauen zum Fotografen sein, so etwas sollte sich einfach entwickeln und kann auch erst nach mehreren Shootings vollständig da sein. Erste Shootings habe ich mit einer Bekannten gemacht, was einen gewissen Vorteil hat.



Wichtig finde ich auch die Tatsache, dass ich die Models darauf hinweise, dass ihre Bilder anschließend von mir im Netz verwendet werden und eine kommerzielle Nutzung nur nach Freigabe jedes einzelnen Fotos erfolgen darf. Ich finde es einfach nur fair, hier mit offenen Karten zu spielen. Wenn der Vertrag unterschrieben wurde, kann man da nicht mehr aussteigen. Allerdings mache ich keine zweideutigen Fotos oder arbeite mit unseriösen Webinhalten.

Im Shooting finde ich es bedeutsam, von Anfang an behutsam und langsam vorzugehen (gerade bei Anfängern). Es bringt nichts unter Zeitdruck zu shooten. Aber auch eine Ausdehnung des Shootings über mehrere Stunden ohne Pause ist zu vermeiden. Ich habe gute Erfahrung mit einem zweistündigen Shooting gemacht mit ca. 3-4 Locations an einem Ort. 

Während des Shootings ist es für mich wichtig, die Kommunikation aufrecht zu erhalten. Nichts ist schlimmer als wenn man nicht miteinander spricht und das Modell am Gesichtsausdruck des Fotografen erraten muss, wie dieser zufrieden ist. Also ist die erste Fotografen-Pflicht die Kommunikation und vielleicht auch Ablenkung vom Shooting, damit das Model die erste Verkrampfung verliert und allzu künstliche Posen erst gar nicht entstehen. Die Angst vor der Kamera muss manchen genommen werden. Dafür müssen mindestens 20 Minuten Warmschiessen vorab eingerechnet werden. 

Der Prozess des Fotografierens ist meiner Erfahrung nach ein Annähern an das optimale Bild mithilfe eines modernen Bildgebers, dem Fotoapperat. Zufall und kalkulierte Planung im Shooting sollten sich die Waage halten. Zu viel Kalkulation tötet die Lockerheit, zu viele Zufälle erzeugen den Eindruck der Beliebigkeit. Für beides bin ich als Fotograf verantwortlich. Es sei denn das Model ist Profi, dann kann sich das Ganze schon mal umkehren. Das durfte ich bisher aber noch nicht erleben.




Am Ende kann man noch gemeinsam einen Kaffee trinken und dabei die Fotos anschauen. Man sollte sein Modell aber nie mit einem Gefühl der Unsicherheit nach Hause schicken und skeptische Gedanken streuen. Auf dem kleinen Kameradisplay ein paar schöne Shoots zu zeigen, runden das Ganze insgesamt ab. Dabei sollte der Fotograf nicht zu kritisch sein. Das Model darf das.

In diesem Text wollte ich die ersten Erfahrungen mit People-Fotografie aufschreiben. In den demnächst folgenden Texten geht es um den Prozess danach, die Bildbearbeitung und die Publikation.